Gießener Anzeiger, 20.09.2025
Nabu: Schlingnatter-Revier umgepflügt
Naturfrevel im Gebiet »Am Bergwerkswald« angezeigt – Baustopp erteilt – Behörden ermitteln
Linden (red/ww). Der Naturschutzbund (Nabu) Linden und die hessische
Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) Gießen ist entsetzt über erneuten Naturfrevel in Linden, heißt es in einer Pressemitteilung. Eigentümer eines Grundstücks im Gebiet »Am Bergwerkswald« wurden angezeigt.
Nachdem im Frühjahr bereits das große Gelände an der »Rindsmühle« durch radikale Rodungen zerstört worden sei, sei nun der Norden Lindens betroffen. Unmittelbar angrenzend an ein Naturschutz- und FFH-Gebiet sei wertvolle Wiesenbrache von rund 0,6 Hektar Fläche mit schwerem Gerät vollständig zerstört worden, heißt es in einer Nabu-Pressemitteilung.
Es habe zum Zeitpunkt der Beeinträchtigung ein laufendes öffentliches Beteiligungsverfahren zur geplanten Aufstellung eines Bebauungsplanes in einem Bereich gegeben, das einst durch eine illegale Bebauung in die Schlagzeilen kam. Die Flächen sollten im dazugehörigen artenschutzrechtlichen Fachgutachten ausdrücklich als offener Wiesenbereich erhalten bleiben, weil er Lebensraum streng geschützter Arten darstelle. Hier wird zukünftig eine Bebauung sogar untersagt.
Laut Gutachten wurden dort im Vorjahr Schlingnattern nachgewiesen. Diese ungiftige Schlange sei nach deutschem und internationalem Recht besonders streng geschützt. Die aktuelle Jahreszeit sei für diese Tiere überlebenswichtig, da die Jungtiere zwischen Ende Juli und Ende September geboren würden. Weibchen würden nur alle zwei bis drei Jahre Nachwuchs zur Welt bringen. Der Verlust einer einzigen Generation könne den Bestand gefährden.
Zusätzlich sei die Wiesenbrache ein Hotspot der Biodiversität gewesen. Bürgermeister, Bauaufsicht und Untere Naturschutzbehörde (UNB) seien bereits informiert.
Trotz einer ausgesprochenen Unterlassungsverfügung und Strafandrohung seien die Arbeiten weitergegangen. Mit Baggern wurde die Grasnarbe mit Muttererde der Wiesenbrache abgetragen. In der folgenden Woche wurde der Boden planiert, geplättet und gestampft. Für die dort lebenden Tiere bedeute das mit hoher Wahrscheinlichkeit den Tod, auf jeden Fall den Verlust ihres Lebensraumes.
Der Nabu Linden und die HGON AK Gießen zeigten sich entsetzt über diesen massiven Verlust von Natur. Die Tötung der streng geschützten Schlingnatter werde bei der Staatsanwaltschaft zur Anzeige gebracht. Dieser Naturfrevel sei kein Einzelfall, er reihe sich in eine Serie von rücksichtslosen Eingriffen ein, die den Charakter Lindens und seine Artenvielfalt zerstörten. Es sei höchste Zeit, dass Politik und Behörden klare Grenzen ziehen und das geltende Naturschutzrecht endlich durchsetzen, betont Antje Markgraf vom Nabu Linden.
Vonseiten des Landkreises heißt es zum Vorfall, dass die Bauaufsicht bereits Anfang August über Erdarbeiten im Bereich zwischen den Anwesen Bergwerkswald 2A und 2B informiert worden sei. Daraufhin erfolgte eine Baukontrolle. Auch die Untere Naturschutzbehörde sei mit dem Vorgang befasst. Nach der Hessischen Bauordnung sind kleinere Abgrabungen und Aufschüttungen im Außenbereich zwar genehmigungsfrei, vor Ort stellte die Bauaufsicht jedoch fest, dass die abgezogene Vegetationsschicht mehr als 300 Quadratmeter betraf. Damit war die Grenze der Genehmigungsfreiheit überschritten, weshalb ein schriftlicher Baustopp erlassen wurde.
Aus Sicht der Unteren Naturschutzbehörde liege zudem ein Verstoß gegen das Artenschutzrecht vor, da die streng geschützte Schlingnatter betroffen sein könnte. Ob dies als Straftat einzustufen und ob ein Umweltschaden entstanden sei, werde derzeit vom Regierungspräsidium als Oberer Naturschutzbehörde und der Staatsanwaltschaft geprüft. Die Bauaufsicht habe zunächst einen Baustopp verfügt. Bei späteren Kontrollen sei festgestellt worden, dass keine weiteren Arbeiten durchgeführt wurden. Eine Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands werde aus baurechtlicher Sicht voraussichtlich nicht gefordert, da sich die Veränderungen im Wesentlichen auf das Abtragen der Vegetationsschicht beschränkten.
Die UNB weise darauf hin, dass die Anzeigen an Staatsanwaltschaft und Regierungspräsidium (RP) durch Dritte erfolgten. Im Rahmen der laufenden Verfahren sei sie üblicherweise in die Ermittlungen eingebunden. Nach Rückmeldung des RP befinde sich die rechtliche Bewertung noch in Abstimmung. Daher warte auch die Stadt Linden noch ab, erklärte Bürgermeister Fabian Wedemann am Freitag.
