Gießener Anzeiger, 23. April 2025
Wackelt die Linden-Card?
Doppel-Förderung: Bürgermeister Wedemann sieht größere Probleme in der Umsetzung
Linden (twi). Wackelt die Linden-Card, die seit Ende 2023 der Einführung harrt? Über die Ermäßigungen für Berechtigte wird im Sozialausschuss der Stadtverordnetenversammlung in Linden am kommenden Montag, 28. April, um 20 Uhr im Sitzungssaal der Ratsstuben erneut diskutiert, zumal der Magistrat erhebliche Arbeit auf die Verwaltung zukommen sieht.
Der Antrag des Magistrats zur weiteren Vorgehensweise bei der Einführung besorgt vor allem den Linden-Card-Initiator Meric Uludag. Der fraktionslose Stadtverordnete (BSW) hatte vor zwei Jahren einen entsprechenden Antrag gestellt, um Vergünstigungen für jüngere Berechtigte mit Wohnsitz in der Stadt in öffentlichen Einrichtungen in Linden zu erreichen.
Die sogenannte Linden-Card richtet sich an Kinder- und Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Hauptwohnsitz in Linden, die Sozialleistungen erhalten, denen mit der Linden-Card eine kostenfreie Nutzung des Freibads in Linden und eine 50-Prozent-Ermäßigung des Hallenbads Pohlheim sowie kostenlose oder ermäßigte Nutzung der Veranstaltungen der Jugendpflege Linden, ermäßigte Teilnahme an den Kursen der Kreisvolkshochschule, die in Linden stattfinden und auch kostenfreie oder in den Beiträgen ermäßigte Mitgliedschaften im Bereich Sport und Musik zulassen. Darüber hinaus sollte der Magistrat Gespräche mit privaten Unternehmen von Freizeit, Kultur-, Sport- und Bildungsangeboten führen, um auch Ermäßigungen einzuführen. Dies alles unter dem Vorbehalt, dass die »voraussichtlichen Kosten des Gesamtvorhabens ermittelt und ausführlich unter Angabe der Ermittlungsgrundlagen wiedergegeben werden«.
»Die Zeiten haben sich geändert«
Nach dem Bürgermeisterwechsel und den Vorzeichen defizitärer Haushalte sieht nunmehr der amtierende Bürgermeister die Situation verändert. »Man muss es sich auch leisten können. Die Zeiten haben sich geändert. Wir haben nicht mehr 2023«, stellt dazu Bürgermeister Fabian Wedemann (CDU) fest, der nunmehr seitens des Magistrates einen Antrag im Sozialausschuss einbringen will. Es hätten sich zudem »erhebliche Herausforderungen« während der Umsetzungsphase herauskristallisiert.
Der Landkreis Gießen gewähre bereits umfangreiche Unterstützung für Kinder und Jugendliche im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets. Eine umfassende Prüfung, ob eine Leistung bereits durch den Landkreis gefördert wurde, sei für die Stadtverwaltung mit erheblichem personellem und zeitlichem Aufwand verbunden und setze die Ehrlichkeit des Leistungsempfängers voraus, da die Gewährung eines Zuschusses durch den Landkreis nicht an die Kommune gemeldet werde. Zudem biete die Kreisvolkshochschule nur ein sehr geringes Angebot in Linden, sodass die angedachte Ermäßigung dort nicht umsetzbar sei.
Darüber hinaus gebe es bereits lokale Unterstützungsangebote wie etwa die Kleiderkammer der Generationenbrücke. Zwar sei der erste Gedanke der Linden-Card »nachvollziehbar und gut«, jedoch stelle sich bei genauer Betrachtung heraus, dass Stadt und Kreis bereits Leistungen anbieten. »Dadurch kann es zu doppelten Auszahlungen aus Steuermitteln kommen.« Durch die geänderte Ausgangslage möchte der Magistrat vom Beschlussgremium bestätigt bekommen, ob dies mit dem bisherigen Beschluss »gewollt und vereinbar ist«.
Uludag verweist hingegen auf einen von ihm gestellten Änderungsantrag. »Es ist keine Kleinigkeit, einen Beschluss, der in einer namentlichen Abstimmung in der Stadtverordnetenversammlung mit demokratischer Mehrheit getroffen wurde, nun so wieder einkassieren zu wollen. Diese Vorgehensweise ist für meinen Geschmack aus demokratischer Sicht äußerst sensibel und erfordert eine gründliche und faire Abwägung.« Zwar habe
der Magistrat in einigen Punkten nachvollziehbare Argumente angeführt, jedoch »erscheinen viele der vorgebrachten Gründe für diese Rücknahme als vorgeschoben und nicht begründet«.
Uludag hat nun nach eigenen Angaben »praktikable, unbürokratische und haushälterisch vertretbare Maßnahmen ergänzt«. Er wünscht sich jetzt für alle Kinder und Jugendlichen mit Wohnsitz in Linden, die Anspruch auf Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) haben, gegen Vorlage eines entsprechenden BuT-Zusatzbescheides eine kostenlose Dauerkarte für das Lindener Freibad. Diese soll unbürokratisch direkt am Freibad ausgegeben werden.
Zur Teilnahme an den Angeboten der Lindener Jugendpflege sollen die Berechtigten drei Gutscheine erhalten.
»Ziel ist es, einen für alle Seiten tragfähigen Kompromiss umzusetzen«, betont Uludag und befürchtet eine jetzt faktisch angestrebte Rücknahme dieses Beschlusses, die »so nicht hingenommen werden kann.«. Immerhin hatten sich damals von 30 anwesenden Stadtverordneten 14 (Grüne, SPD, FW und Linke) dafür und zwölf (CDU, FW, FDP, AfD) gegen eine Linden-Card ausgesprochen. Vier (CDU und FW) enthielten sich Ende 2023 der Stimme.
»Die extrem geringe Inanspruchnahme der BuT-Leistungen, die in einer Studie des Paritätischen Wohlfahrtsverbands vom November 2023 dargelegt wurde — mit einer Quote von nur 11,3 Prozent im Kreis Gießen — unterstreicht, wie hoch die bürokratischen Hürden und wie niedrig der Informationsstand vieler Familien offenbar sind.« Deshalb forderte Uludag auch zusätzlich eine Informationskampagne. Letztendlich wird die Stadtverordnetensitzung am 13. Mai darüber entscheiden, wie weiter mit der Linden- Card verfahren werden soll.
Die Wahl eines neuen Ausschussvorsitzenden steht nach der Mandatsniederlegung von Matthias Spangenberg (SPD) im Ausschuss an.