Gießener Anzeiger, 15. April 2025
Kahlschlag ohne Folgen
»Rindsmühle«: Weder Ordnungswidrigkeitsverfahren noch Strafzahlung
Linden (twi). Für Linden ist die »Rindsmühle« nicht nur eine ehemalige Lokalität, sondern das war vor allem auch einst der Namen für eine ganze Siedlung. Zur Blütezeit des Fußballs in Leihgestern wurde landauf landab über die »Männer von der Rindsmühle« berichtet. Seit einem Blitzeinschlag in der Neujahrsnacht 2018 und den SPD-Plänen hier einen Kindergarten zu errichten – ohne mit dem Eigentümer zu sprechen (der Anzeiger berichtete) – war es ruhig geworden um das seit der Insolvenz eines Mieters seit 22 Jahren leerstehende und als »Lost Place« geltende Gebäude und Areal.
Lediglich Beschwerden über auf die Straße ragende Äste und Straßenverschmutzung gab es durch Anlieger, bis dann im Februar ein Kahlschlag einsetzte. Schnell machte auch die Nachricht eines Eigentümerwechsels die Runde und die Beschwerden wurden laut, dass hier willkürlich alter, erhaltenswerter Baumbestand abgeholzt wurde. Schnell folgte das nächste Gerücht: Der neue Eigentümer müsse eine Strafe für diesen Willkürakt zahlen.
Eine Anfrage beim Landkreis und der zuständigen Unteren Naturschutzbehörde (UNB) verschafft jetzt Klarheit. So teilte Pressereferentin Manuela Jung mit, dass weder ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet noch eine Strafzahlung verlangt wurde. Bei der von der UNB durchgeführten Ortsbesichtigung habe die Lage der vorgefundenen Baumstümpfe nicht den im Bebauungsplan festgesetzten Standorten der zu erhaltenden Bäume zugeordnet werden können. »Somit war es nicht möglich, ein Bußgeld zu verifizieren«, so Jung. Eine Geldbuße von bis zu 10 000 Euro hätte ansonsten bei einem Vergehen nach § 213 Abs. 3 Baugesetzbuch (BauGB) verhängt werden können. Heißt es dort doch, dass ordnungswidrig handelt, »wer einer in einem Bebauungsplan festgesetzten Bindung für Bepflanzungen und für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen sowie von Gewässern dadurch zuwiderhandelt, das heißt diese beseitigt, wesentlich beeinträchtigt oder zerstört werden«. Es stellt sich jedoch die generelle Frage, weshalb beim Abholzen von Bäumen auf einem Privatgrundstück eine Behörde tätig wird, wenn noch nicht einmal die Stadt über eine Baumsatzung verfügt, die sonst solches Handeln unterbinden könnte. Dazu verweist Jung auf den Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 37 »Gießener Straße/Tannenweg« zu dem das 3700 Quadratmeter große Rindsmühle-Areal zählt, und welcher »den Erhalt von einzelnen Bäumen – auch auf dem Grundstück »Rindsmühle« vorsieht«. Vor diesem Hintergrund stellt sich für jeden Grundstückseigentümer die Frage, ob er denn nun seine Bäume fällen, Sträucher ausreißen darf, wenn dies außerhalb der Brut- und Setzzeit vom 1. März bis 30. September erfolgt. »Diese Frage können wir nicht pauschal beantworten, hier gilt es, den Einzelfall – unabhängig ob Privatgrundstück oder öffentliches Grundstück – zu prüfen, da unter anderem der Artenschutz und andere Parameter einbezogen werden müssen«, so Jung.