Gießener Anzeiger, 31. Oktober 2024
Besitzer bestimmt
Waldrundgang für Bauausschussmitglieder – Erstmals Einladung für Bürger
Linden (twi). »Ich rate immer zu mäßig, vorsichtig, vernünftig «, lautete die Empfehlung von Revierförster Jörg Sennstock beim Waldrundgang. Hatte in den vergangenen Jahren stets die Zeit gedrängt, weil eine Sitzung folgte, so fand nun die Waldbegehung der Mitglieder des Bauauschusses nicht nur erstmals an einem Samstag, sondern erstmals auch mit Einladung für die Bevölkerung statt.
Bauausschussvorsitzender Burkhard Nöh (CDU) konnte gemeinsam mit Sennstock 18 Teilnehmer, darunter elf Parlamentarier, begrüßen. »Wir machen den Waldgang diesmal nicht vor einer Sitzung sondern an einem anderen Tag, um auch mehr Gelegenheit zum Gespräch zu geben«, so Nöh, der damit auch das Wort an Sennstock übergab, der nach einer kurzen Einführung zum Thema »Forsteinrichtung «, beim zweistündigen Waldrundgang explizit darauf einging. Im September hatten die Stadtverordneten in ihrer Sitzung einstimmig die Beauftragung zur Erstellung des alle zehn Jahre zu erstellenden Forsteinrichtungswerks auf den Weg gebracht, allerdings mit bewusster zweijähriger Verspätung. Dazu hatte das Regierungspräsidium grünes Licht gegeben und eine Vorlage für 2026 genehmigt.
Erholungsaspekt
Die Forsteinrichtung dient in der Forstwirtschaft der Betriebsregelung und ist damit ein Führungs- und Planungsinstrument für den Forstbetrieb. Alle zehn Jahre ist zur Überprüfung und Planung der Nachhaltigkeit der Waldnutzung eine Forsteinrichtung zu erstellen. Diese stand in Linden zwar schon 2022 an, jedoch erschien diese aufgrund aktueller Klimaschäden an vielen der Baumarten nicht sinnvoll.
»Eine Planung, welche dann vielleicht schon ein Jahr später wieder durch flächigere Absterbeerscheinungen von Bäumen kaum noch gültig ist, zu erstellen, das macht einfach keinen Sinn«, so Sennstock bei der Vorstellung des einen Aktenordner füllenden noch gültigen Forsteinrichtungswerks. Nachdem sich das Absterbegeschehen im Wald inzwischen deutlich verlangsamt habe und um den vom Regierungspräsidium gesetzten Termin einzuhalten, konnte nun dann nach dem Beschluss des Parlaments eine Forsteinrichtungsplanung zur Beauftragung ausgeschrieben und die Mittel im Haushalt 2024 und 2025 eingestellt werden. Die Forsteinrichtung beinhaltet die Erfassung des Waldzustandes und die Kontrolle der im vergangenen Forsteinrichtungszeitraum durchgeführten Maßnahmen sowie die Planung für den folgenden Forsteinrichtungszeitraum in periodischen Abständen.
Wesentliche Teile sind das Betriebsbuch mit Auswertungstabellen, Beschreibung der Bestände und die Maßnahmenplanung, das Revierbuch mit der Beschreibung der Bestände und der Maßnahmenplanung), das Flächenwerk mit Flächenverzeichnis nach Flurstück und Abteilung wie auch Teilfläche und das Kartenwerk mit Wegesystem und Waldeinteilung.
»Der Lindener Stadtwald erstreckt sich über eine Fläche von 390 Hektar, und der Waldbesitzer bestimmt, auf was er mehr Wert legt: Erholung oder Holzgewinnung, wobei natürlich auch berücksichtigt werden muss, was die Gesellschaft für ein Interesse hat«, so Sennstock.
Dieser empfahl vor dem Erholungsaspekt in Waldwege zu investieren. »Das ist bei uns das Allerwichtigste. Die Menschen gehen in den Wald um sich zu erholen, frische Luft zu atmen, Vögeln zuzuhören und vielleicht mal ein Bild zu machen. Ordentliche Wege vorzuhalten, das kann ich jedem Besitzer nur raten. Wir machen das regelmäßig, und wer das regelmäßig macht, braucht nicht so viel zu investieren, wie wenn man 20 Jahre überall nichts macht, dann hat man hinterher Megakosten«, leitete der Revierförster zum ökologischen Teil über.
»Da gibt es Arten die wir uns anschauen müssen, wo wir sicherlich auch die Verpflichtung haben, diese Arten und auch bestimmte Biotope zu erhalten.«
Sennstock erläuterte den Stadtwaldbestand mit den wichtigsten Baumarten Eiche, Buche, Fichte und Kiefer, ging auf den Pilzbefall bei den Eschen in den vergangenen Jahren, wie auch auf den stark wechselhaften Boden mit hohem Tonanteil ein. Dabei erläuterte er, wie für jede Abteilung der Bestand erfasst und ein Blatt erstellt wird, wie das Baumwachstum errechnet wird.
Allein die Hälfte des Baumbestandes seien Kiefern, die sich auch gut verkaufen. »In der Kopfzeile findet sich welche Funktionen hat der Wald. Erholung und Klimaschutz und ganz am Ende steht dann als letzter Hinweis, was darf Förster entnehmen ohne die Nachhaltigkeit zu gefährden.«
Pflegearbeiten
Entnommen wurden im vergangenen Jahr im gesamten Stadtwaldbereich 200 Festmeter Eiche und Fichte, 500 Festmeter Buche und 700 Festmeter Kiefer. Gerade bei der Fichte habe es riesige Verluste in der letzten Dekade gegeben. »Die Fichte ist so gut wie nicht mehr da, da haben wir ja über 5000 Festmeter ganz kurzfristig realisieren müssen und dieser Zuwachs fehlt uns«, so Sennstock.
Per Saldo komme es im Wald zu einer nachhaltigen Nutzung durch Erholung, Holznutzung, Jagd, Natur und Klimaschutz. Linden habe in der Summe bisher immer einen positiven Saldo erzielen können.
Abschließend ging Sennstock auf die künftige Nutzung, die Anpflanzung durch Flatterulmen, die auf einer Versuchsfläche auch ohne Wildverbiss gepflanzt wurden, wie auch auf die »Schachbrettpflanzungen « ein. Darunter versteht man auf einer Fläche von sieben Hektar vier verschiedene Baumarten zu pflanzen.
Auch bei der Pflanzung habe sich einiges geändert, wurde etwa in den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts noch pro Quadratmeter eine Pflanze im Dreieckverbund gesetzt, so komme heute eine Pflanze auf vier Quadratmeter, also dann 2500 Pflanzen. Wichtig seien vor allem aber auch Pflegearbeiten und die Entscheidung: Was kommt weg?